Die in den Medien vielzitierte und besprochene Entscheidung des BVerfG vom 21. Juli 2010 wird zur Änderung der §§ 1626 Abs. 1 Nr. 1, 1672 Abs. 1 BGB führen. Das BVerfG hat entschieden, dass diese Vorschriften, die die gemeinsame Sorge nicht verheirateter Eltern davon abhängig machen, dass eine gemeinsame Sorgeerklärung beider Elternteile ergeht (§ 1626 Abs. 1 Nr. 1 BGB) bzw. die vorsehen, dass selbst wenn die Sorge durch den Vater dem Kindeswohl entspricht, eine Übertragung von der Zustimmung der Mutter abhängig ist (§ 1672 Abs. 1 BGB), mit Art. 6 Abs. 2 GG („Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern (…)“ sic.) unvereinbar sind.
Diese Regelungen entsprechen schon seit geraumer Zeit nicht dem „europäischen Standard“. In allen 27 Ländern der Eruopäischen Union besteht die Möglichkeit zur gemeinsamen elterlichen Sorge für nichtehelich geborene Kinder unter der Voraussetzung, dass die Vaterschaft rechtsverbindlich feststeht. Sieben Mitgliedstaaten belassen der Mutter zwar von Gesetz wegens die Alleinsorge, ermöglichen dem Vater aber auch ohne Konsens die Möglichkeit zum Sorgerecht aufgrund gerichtlicher Entscheidung (Finnland, Irland, Luxemburg, Niederlande, Schweden, Vereinigtes Königreicht, Zypern).
18 Mitgliedstaaten der EU stellen unverheiratete Eltern verheirateten Eltern weitgehend oder vollständig gleich. Die unverheirateten Eltern erlangen kraft Gesetzes das gemeinsame Sorgerecht (Belgien, Bulgarien, Dänemark, Estland, Frankreich, Griechenland, Italien, Lettland, Litauen, Malta, Polen, Portugal, Rumänien, Slowakei, Slowenien, Spanien, Tschechische Republik, Ungarn).
Das BVerfG hat zur Unvereinbarkeit mit Art. 6 Abs. 2 GG ausgeführt:
„Der Gesetzgeber greift (…) dadurch unverhältnismäßig in das Elternrecht des Vaters eines nichtehelichen Kindes ein, dass er den Vater generell von der Sorgetragung für sein Kind ausschließt, wenn die Mutter des Kindes ihre Zustimmung zur gemeinsamen Sorge mit dem Vater oder zu dessen Alleinsorge für das Kind verweigert, ohne dass ihm die Möglichkeit eingeräumt ist, gerichtlich überprüfen zu lassen, ob er aus Gründen des Kindeswohls an der elterlichen Sorge zu beteiligen oder ihm, auch in Abwägung seines Elternrechts mit dem der Mutter, die allenige für das Kind zu übertragen ist.“
“ Weil das Elternrecht (Art. 6 Abs. 2 GG) beiden Elternteilen zusteht, sind Regeln zu schaffen, die ihnen für den Fall, dass sie sich über die Ausübung ihrer Elternverantwortung nicht einigen können, jeweils Rechte und Pflichten gegenüber dem Kind zuordnen.“
Es liegt nun am Gesetzgeber, entsprechende Regelungen zu schaffen. Nach der Begründung des BVerfG werden diese allerdings nicht derart ausgestaltet sein, dass bereits mit Anerkennung der Vaterschaft oder Feststellung derselben, automatisch dem Vater das gemeinsame Sorgerecht zusteht. Verfassungsrechtlich ist dies zumindest nicht geboten, so das BVerfG in seiner Entscheidungsbegründung.
Die Vorschriften über die Sorge – wie oben dargestellt – sind verfassungswidrig und dürfen daher nicht mehr angewandt werden. In Fällen alleiniger Sorge der Mutter sollten sich die Väter nach Entscheidung des BVerfG ggf. rechtlichen Beistand zur Durchsetzung der im Kindeswohl stehenden gemeinsamen Sorge suchen.