Neue Rechtsprechung des BGH vom 18.03.2009 zum Betreuungsunterhalt

Der BGH nimmt erstmals Stellung zur Anwendung des seit 01.01.2008 geltenden neuen Unterhaltsrechts.

Folgender Sachverhalt lag der Entscheidung des BGH zugrunde:

Die Parteien sind seit Januar 2000 verheiratet und seit September 2003 getrennt lebend. Die Parteien sind seit April 2006 rechtskräftig geschieden. Ihr im November 2001 geborener Sohn wird von der Klägerin betreut. Er besuchte seit 2005 eine Kindertagesstätte mit Nachmittagsbetreuung und geht seit September 2007 zur Schule und danach bis 16:00 Uhr in einen Hort. Die Klägerin ist verbeamtete Studienrätin und seit August 2002 mit knapp 7/10 einer Vollzeitstelle (18 Wochenstunden) erwerbstätig.
Das Amtsgericht Pankow/Weißensee Berlin hat den Beklagten für die Zeit ab Januar 2008 zur Zahlung nachehelichen Betreuungs- und Aufstockungsunterhalt in Höhe von monatlich 837 € verurteilt. Die Berufung des Beklagten, mit der er eine Herabsetzung des monatlichen Unterhalts auf 416,32 € und eine zeitliche Befristung der Unterhaltszahlungen bis Juni 2009 begehrt, wurde zurückgewiesen.

Der BGH hat im Rahmen der Revision die angefochtene Entscheidung aufgehoben und zur erneuten Verhandlung und Prüfung an das Kammergericht zurückverwiesen.

Laut Pressemeldung des Bundesgerichtshofes wurde folgendes vom BGH moniert:

„Das Berufungsgericht hat bei der Bemessung der Erwerbspflicht der Klägerin vorrangig auf das Alter des Kindes abgestellt und nicht hinreichend berücksichtigt, dass es nach Beendigung der Schulzeit bis 16.00 Uhr einen Hort aufsucht und seine Betreuung in dieser Zeit auf andere Weise sichergestellt ist. Konkrete gesundheitliche Einschränkungen, die eine zusätzliche persönliche Betreuung in dieser Zeit erfordern, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt. Ferner hat das Berufungsgericht auch nicht ermittelt, ob die Klägerin als Lehrerin im Falle einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit (26 Wochenstunden) über 16.00 Uhr hinaus arbeiten müsste. Die Billigkeitsabwägung, ob der Aspekt einer überobligationsmäßigen Beanspruchung durch Erwerbstätigkeit und Kindesbetreuung oder durch andere elternbezogene Gründe zu einer eingeschränkten Erwerbsobliegenheit führt, obliegt grundsätzlich dem Tatrichter und kann vom Bundesgerichtshof nur auf Rechtsfehler überprüft werden. ….“

Zwar mag die Entscheidung des Kammergerichts im Ergebnis gerechtfertigt sein. Eine entsprechende Billigkeitsabwägung fehle aber.

So die Pressemeldung weiter:

„…Die vom Beklagten begehrte Befristung des Betreuungsunterhalts nach § 1578 b BGB scheidet schon deswegen aus, weil § 1570 BGB in der seit dem 1. Januar 2008 geltenden Fassung eine Sonderregelung für diese Billigkeitsabwägung enthält und insoweit bereits alle Umstände des Einzelfalles abschließend zu berücksichtigen sind.

Das schließt es aber nicht aus, die Höhe des Betreuungsunterhalts in Fällen, in denen keine ehe- oder erziehungsbedingten Nachteile mehr vorliegen, nach Ablauf einer Übergangszeit zu begrenzen. Im Einzelfall kann dann der von einem höheren Einkommen des Unterhaltspflichtigen abgeleitete Unterhaltsanspruch nach den ehelichen Lebensverhältnissen auf einen Unterhaltsanspruch nach der eigenen Lebensstellung des Unterhaltsberechtigten herabgesetzt werden. Diese Voraussetzungen lagen hier indes nicht vor, weshalb der Senat die Entscheidung des Kammergerichts, den Unterhalt nicht zusätzlich zu begrenzen, gebilligt hat.“

Anmerkungen:

Der BGH hat in seiner Entscheidung den Grundsatz der Eigenverantwortlichkeit des betreuenden Elternteils untermauert. Er hat der Vertretung eines „modifizierten Altersphasenmodells“ eine Absage erteilt Insbesondere der Umstand, dass das Kind in dem für die Entscheidung maßgeblichen Zeitraum ab 01.01.2008 erst 6 Jahre alt ist, macht deutlich, dass eine Schonung, wie sie nach alter Rechtsprechung des BGH für Eltern galt, die Kinder betreuten, die jünger als 8 Jahre alt waren (sog. Altersphasenmodell), in der Form, dass diesen Eltern keine Vollzeittätigkeit zugemutet werden kann, nicht mehr der aktuellen Rechtslage entspricht.

Darüber hinaus macht der BGH klar, dass die Unterhaltsgewährung über den „Basisunterhalt“ hinaus für Kinder betreuende Elternteile grundsätzlich einer Einzelfallprüfung durch den Tatrichter unterliegt, und bereits das Unterlassen einer solchen Einzelfallprüfung eine Entscheidung angreifbar macht.

In Zukunft ist daher intensive Auseinandersetzung auch der Anwälte mit den zur Verfügung stehenden Betreuungsmöglichkeiten vor Ort sowie den spezifischen (Sonder)-bedürfnissen des Kindes notwendig. Insbesondere ist zu beachten, dass eine Orientierung am Alterphasenmodell, auch in modifizierter Form, nicht der aktuellen Rechtslage entspricht.

Der BGH hat die Rechtsprechung zur Begrenzung und Befristung nachehelichen Unterhaltes bestätigt. Ob und inwieweit (Betreuungs-)unterhalt der Höhe nach begrenzt oder zeitlich befristet werden kann, richtet sich im Wesentlichen danach, ob ehebedingte Nachteile für den betreuenden und Unterhalt begehrenden Ehegatten vorliegen und nicht in erster Linie nach der Dauer der Ehezeit. Ehebedingte Nachteile liegen dann zum Beispiel vor, wenn eine Ausbildung oder eine absehbare Karriere wegen der Rollenverteilung in der Ehe abgebrochen wurde. Selbst bei kurzer Ehedauer (nach Rechtsprechung des BGH zwischen 2 – 4 Jahren) scheidet eine Befristung oder Begrenzung der Höhe nach aus, wenn von der Unterhalt begehrenden Partei ehebedingte Nachteile nachgewiesen werden (Beachte: Darlegungs- und Beweispflicht hierfür liegt bei der Unterhalt begehrenden Partei!).