Entführt ein Elternteil gemeinsame Kinder, so stellt dies den anderen Elternteil häufig nicht nur emotional sondern auch hinsichtlich der Rückführung der Kinder vor scheinbar unlösbare Probleme. Kindesentführung im Sinne des sog. Haager Kindesentführungsübereinkommens (HKÜ) liegt bereits dann vor, wenn ein Elternteil bei gemeinsamer elterlicher Sorge ein gemeinsames Kind gegen den Willen des anderen Elternteils ins Ausland verbringt oder dort gegen den Willen des anderen Elternteils zurückhält. Erteilt bspw. ein Elternteil dem anderen Elternteil eine Vollmacht zur Ausreise so erfolgt die ursprüngliche Mitnahme der Kinder ins Ausland nicht widerrechtlich, bei Widerruf der Vollmacht oder bei zeitlicher Befristung der Vollmacht erlischt die einmal gegebene Zustimmung und jeder weitere Aufenthalt im Ausland erfolgt „widerrechtlich“ im Sinne des HKÜ. In diesem Fall hat der zurückbleibende Elternteil die Möglichkeit die Zentrale Behörde anzurufen, im Fall Deutschlands ist dies das Bundesamt für Justiz in Bonn und dort einen Rückführungsantrag zu stellen. Die Zentrale Behörde setzt sich mit der Zentralen Behörde im Aufenthaltsstaat der Kinder in Verbindung. Diese initiiert ein Rückführungsverfahren beim zuständigen Familiengericht. Erfolgt die Entführung aus dem Ausland nach Deutschland, so wird vor einem deutschen Familiengericht verhandelt. Erfolgt die Entführung ins Ausland, bspw. in die USA oder Kanada, so wird vor einem dortigen Familiengericht verhandelt. Die Verhandlung betrifft allein die Rückführung der Kinder, nicht das materielle Sorgerecht. Rückführungsanträge in den USA oder Kanada werden häufig unter hohem Kosten- und Zeiteinsatz verhandelt und sind hart umkämpft. Oft kommt es zu einer Vermischung von Fragen des Sorgerechts und Fragen der reinen Rückführung. Wir haben als Kanzlei sowohl Erfahrung mit Rückführungsverfahren in den USA und Kanada als auch in Deutschland gemacht und stehen Ihnen gerne mit der notwendigen rechtlichen Expertise zur Seite.
Installierung einer Arbeitsgruppe zu Art. 13 (1) b) HKÜ
Die Haager Konferenz für Internationales Privatrecht hat im Jahr 2012 eine Arbeitsgruppe eingerichtet, die einen Leitfaden zur Anwendung und Interpretation von Art. 13 Abs. 1 b) des Haager Kindesentführungsübereinkommens entwickeln soll. Art. 13 Abs. 1 b) HKÜ lautet wie folgt:
Ungeachtet des Artikels 12 ist das Gericht oder die Verwaltungsbehörde des ersuchten Staates nicht verpflichtet, die Rückgabe des Kindes anzuordnen, wenn die Person, Behörde oder sonstige Stelle, die sich der Rückgabe des Kindes widersetzt, nachweist,
b) dass die Rückgabe mit der schwerwiegenden Gefahr eines körperlichen oder seelischen Schadens für das Kind verbunden ist oder das Kind auf andere Weise in eine unzumutbare Lage bringt.
Bisher wird die Frage, wann eine schwerwiegende Gefahr iSd. Art. 13 Abs. 1 b) HKÜ vorliegt höchst uneinheitlich interpretiert. Mit der Einrichtung einer Arbeitsgruppe soll den Gerichten der Mitgliedstaaten ein Hilfsmittel zur (einheitlichen) Auslegung von Art. 13 Abs. 1 b) HKÜ an die Hand gegeben werden. In Deutschland ist mit Inkrafttreten der Brüssel IIa-VO auf die Ergänzungen des HKÜ durch die Brüssel IIa-VO zu achten. Das HKÜ ist in Deutschland nur noch modifiziert unter Beachtung der Brüssel IIa-VO anzuwenden.